Saphire Martini Lounge (Prenzlauer Berg)

Normalerweise sollte gerade ich mich unendlich freuen, wenn eine Cocktailbar sich sehr intensiv und leidenschaftlich dem Phänomen des Martini verschreibt. Wer mein Motto in der Kopfzeile gelesen hat, ist im Bilde.

Ein Martini ist etwas Großartiges. Neben meiner Wenigkeit haben das bereits etliche illustre Gestalten erkannt und der Nachwelt wundervolle  Weisheiten

Vorne Lounge, hinten Bar

Vorne Lounge, hinten Bar

hinterlassen. Der von mir hochgeschätze George Burns (von dem auch das Anti-Jogging-Statement stammt) meinte dereinst: „Happiness is a good martini, a good meal, a good cigar and a good woman…. Or a bad woman, depending on how much happiness you can stand.“

Normalerweise….

In der Saphire Lounge (genau wie in der Saphire Bar in der Bötzowstraße) verhält es sich ein klein wenig anders. Der Grund ist, dass mich die originelle Karte mit den zahlreichen ungewöhnlichen Eigenkreationen dazu verführt, ganz andere Dinge zu bestellen, als einen trockenen Martini.

Elegant-modern ist der look der Bar mit dem weißen Lounge-Bereich vor

Flaschenfestung

Flaschenfestung

dunklen lackierten Holzelementen. Acht Plätze stehen am Bartresen selbst zur Verfügung, mit Blick auf die riesige Flaschenauswahl (alleine die Ginsorten werden an die 60 sein). Vielleicht sind es etwas zu viele. Man hat beinahe den Eindruck, die Bartender verschanzen sich hinter einer gewaltigen Flaschenfestung.

Belagert man diese Festung freundlich, so ist die genussvolle Eroberung neuer, moderner Getränkekreationen mit spannenden Aromenvermengungen nicht mehr fern. Sonderbarste Namen regen zudem die eigene Fantasie an. Wie mag es zu einem Drink mit dem Namen Schneegestöber im Sperrgebiet gekommen sein, welche Geschichte verbirgt sich hinter Erlebnisse eines grünen Apfels und was war dem Barmann widerfahren, als er Abgrund an Bitterkeit kreierte? Ich schwanke zwischen einem Tanz der galaktischen Aliens und Ansichten des Schmerzes, entscheide mich für letzteren, den ich daraufhin mit Gin, Ingwer-Sour-Mix und Zitronengras Wodka erfahre. Daneben durfte ich lernen, dass Illusionen vom Glück nicht ohne Himbeeren auskommen.

Es ist zwischendurch einmal sehr erfrischend, ein modernes Barkonzept mit ungewöhnlichen Drinks mit sonderbaren Namen zu erleben. In letzter Zeit

Gehighlighted: Gin

Gehighlighted: Gin

gab es auf beiden Seiten des Atlantik immer mal wieder den x-ten Aufguss der Prohibitions-Ära und  etliche Bars widmeten sich beinahe ausschließlich dem Revival der vergessenen Klassiker à la Jerry Thomas und Savoy. Vor vier Jahren war es mächtig aufregend und selten, alte Drinks wie Aviation, Sazerac oder Pegu Club auf Cocktail-Menus lesen zu dürfen, heute sind das immer noch sehr schöne Drinks, sie sollten aber nicht zum alleineseligmachenden Ende der Fahnenstange erklärt werden, sonst sind sie irgendwann auch nur fader Mainstream und der Monkey Gland wird der neue Planters Punch.

Deswegen ist es gerade in Berlin unglaublich schön und wichtig, dass Bars mit neuen, sensationellen Kreationen wie beispielsweise Becketts Kopf, oder mit ungewöhnlichen, mutigen Atmosphären wie das Stagger Lee, für attraktive Abwechslung sorgen.  Dazu gehört eben auch die Saphire Lounge.

Und nächstes mal werde ich endlich wieder einen Martini bestellen. Vielleicht.

Sredzkistraße 62, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg, täglich ab 20 Uhr

www.saphirebar.de

4 Kommentare zu “Saphire Martini Lounge (Prenzlauer Berg)

  1. eichiberlin sagt:

    Zum Einen bin ich froh, mit dieser Ansicht nicht völlig alleine da zu stehen 🙂

    Zum Anderen ist es selbstverständlich richtig, dass in diesem Bericht einmal andere Gesichtspunkte im Vordergrund stehen, als Qualität der Zubereitung und der Getränke.

    Allerdings ist das auch gar nicht so leicht zu bewerten. Da die meisten Cocktails aromatisch überraschen, gibt es keine Vergleichsmöglichkeiten, wie bei einem Manhattan oder einem Daiquiri. Jedenfalls sind die Rezepte sorgfältig ausgetüftelt und meist harmonisch abgeschmeckt, auch wenn ich mir nicht jeden Drink nachbestellen würde.

    Der Gast wird mit professioneller Freundlichkeit behandelt. Knabberzeugs wird gereicht und Wasser stets aufmerksam nachgefüllt. Nachfragen werden gewissenhaft beantwortet.
    Mixtechnisch habe ich bei diversen Besuchen eine ziemliche Bandbreite beobachtet. Von sorgfältigem Umgang mit frischem Obst und genaues Abmessen im Jigger, bis hin zu dem (mir etwas unheimlichen) Phänomen des gießens aus zwei Flaschen in einer Hand gleichzeitig.
    Jedenfalls: Ich kann nicht klagen!

  2. eichiberlin sagt:

    Wie genial wäre das denn, wenn ein genialer Drink auf jeder Barkarte erscheint und dann auch noch überall perfekt zubereitet würde….Drinkologic Dreamland….

    Der „fade mainstream“ den ich vor Augen habe ist der, wenn einzelne Cocktails so „wichtig“ geworden sind, dass sie auf den Barkarten erscheinen, weil sie es müssen, weil sie nicht fehlen dürfen. Und nicht weil eine brillante Rezeptur in einem stimmigen Barkonzept umgesetzt wird.

    In der Folge bekommen ursprünglich schöne Drinks einen miserablen Ruf, weil sie allzu oft mit minderwertigen Zutaten nach belanglosen Rezepturen zubereitet werden. Ich denke gerade an Cocktails wie Planters Punch oder Pina Colada.

    Am schlimmsten ist zudem das Phänomen, wenn mittelmäßigste möchtegern Mixer durch das Verweisen auf Standards der Rezeptliteratur jegliche Kritik an ihrem Unvermögen zurückweisen können. Ich denke an Dialogsequenzen wie:
    Bemerkung eines Tresenopfers: „Dieser Drink schmeckt grauenvoll/ungenießbar/wie Panzerdiesel.“ Antwort des Katastrophenkeepers: „Es ist aber exakt nach der Rezeptur von Charles Schumann/Simon Difford/Jerry Thomas!“ Ende der Diskussion. Es lebe der blinde Gehorsam.

    Nieder mit dem blinden Gehorsam! Vor 20 Jahren hat bestimmt hinter fast jedem Bartresen ein Exemplar von Charles Schumanns „American Bar“ gelegen. Ich habe mal eine „White Lady“ bestellt und den Drink als „zu süß“ kritisiert. Der Barmann verwies auf Schumanns Rezept und dass er sich exakt daran gehalten habe. Daheim stürzte ich mich auf mein Exemplar von „American Bar“ (zweite Auflage von 1991) um dort die Zeile „1 Barlöffel Puderzucker“ energisch durchzustreichen. Danach fühlte ich mich wie ein Königsmörder.
    Ein Königsmörder, allerdings künftig mit einer leckeren „White Lady“, aber!

    Gibt es eigentlich einen Drink „Lady Macbeth“?

  3. Gonçalo sagt:

    … und wann ist ein Aviation; beispielsweise; fader mainstream ?

    Wenn er auf jeder Barkarte erscheint; oder erst wenn er ueberall perfekt zubereitet wird ? …

  4. sanjay sagt:

    Zum Einen:
    Chapeau für diese Zeilen:
    In letzter Zeit gab es auf beiden Seiten des Atlantik immer mal wieder den x-ten Aufguss der Prohibitions-Ära und etliche Bars widmeten sich beinahe ausschließlich dem Revival der vergessenen Klassiker à la Jerry Thomas und Savoy. Vor vier Jahren war es mächtig aufregend und selten, alte Drinks wie Aviation, Sazerac oder Pegu Club auf Cocktail-Menus lesen zu dürfen, heute sind das immer noch sehr schöne Drinks, sie sollten aber nicht zum alleineseligmachenden Ende der Fahnenstange erklärt werden, sonst sind sie irgendwann auch nur fader Mainstream
    – aus der Seele gesprochen, Dankeschön!

    zum Anderen:
    wird in in diesem Artikel nicht wirklich darauf eingegangen, ob die Drinks auch gut waren und das Barpersonal ansprechende Arbeit geleistet hat.
    Die Einrichtung ist zugegebener Massen Geschmackssache – gerade in der Gegend…

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