Arrogantes Bier für Berlin

Biertechnisch geschieht gerade so manches, was Lust auf mehr macht. Besonders die Moabiter dürfen sich gewaltig freuen über die Entwicklungen der letzten Monate. Einerseits zog der Brewbaker in die Arminius-Markthalle und braut dort köstliche Spezialitäten, weiterhin steht bei Getränke Töpper (Bugenhagen- Ecke Bredowstraße) einen Steinwurf von der Halle entfernt, eine anständige Auswahl an Bierspezialitäten aus Belgien, England und Deutschland parat.

Vor allem aber in der Kirchstraße hat Bier ein neues Zuhause bei Rainer Wallisser gefunden. Hier wird der Betreiber von „Wein Kultur“ seinem Geschäftsnamen allmählich untreu, indem er mit dem Berlin Bier Shop dort eine wachsende Auswahl rarer Bierspezialitäten anbietet. Besonders die Freunde von aromatisch und bitter gehopften Bieren kommen dort voll auf ihre Kosten. Neben bewährten Klassikern, beispielsweise aus dem Hause Fuller´s, gibt es die eher seltenen Produkte von Brew Dog, Fritzale, Anchor Steam und allerhand aus Belgien. So manche Spezialität führt den Bier-Gaumen zu hopfentechnischen Grenzerfahrungen, wie beispielsweise das dänische „First Frontier IPA“.

Vertreibt Bier Dämonen?

Vertreibt Bier Dämonen?

Ein Brauunternehmen, das ebenfalls die hopfenintensive Philosophie des Bieres pflegt und forciert, war im Juli zu Gast bei Rainer Wallisser: Stone Brewing Co. aus Escondido, California.

Der Abend begann mit einer Verkostung der Brewbaker Biere. Braumeister Michael Schwab kam persönlich vorbei, um zu der international besetzten Verkostungsrunde zu stoßen und brachte einige seiner aktuellen Biere, wie auch einige Prototypen der Zukunft zum probieren mit (ich freue mich bereits auf einen Gerstensaft, der unter dem Arbeitstitel „Olivia“ auftrat und ganz vorzüglich schmeckte).

Den zweiten Teil des Abends bestritt Greg Koch von Stone Brewing mit einigen bemerkenswerten Bieren (z.B. Ruination IPA, Imperial Rusian Stout, Smoked Porter), an die sich der durchschnittliche Lagerbier-Gaumen erst gewöhnen muß, besonders, wenn er auf die wiederstandslosen Durchschnittsplörren (Heineken, Carlsberg, Miller, Beck´s, Stella Artois usw.) getrimmt ist.

Starke Hopfennoten mit Rauch, Espresso, Malz, Schokolade und vielen weiteren Aromen, forderten die Gäste heraus. Das Erfolgsbier der Marke nennt sich „Arrogant Bastard Ale“. Ich versuche mal, den ausgiebigen Text auf der Flasche einigermassen vernünftig zu übersetzen:

Dies ist ein aggressives Ale. Sie werden es vermutlich nicht mögen. Es ist recht zweifelhaft, ob Sie das rechte Geschmacksvermögen und die Kultiviertheit besitzen, um ein Bier dieser Qualität und Tiefe zu würdigen. Wir schlagen vor, dass Sie sich auf sichereres und vertrauteres Terrain begeben – womöglich mit einem Bier, dass mit einer Millionen teuren Anzeigenkamagne darauf zielt, Sie zu überzeugen, dass es in einer winzigkleinen Brauerei hergestellt wird; oder ein Produkt, dass Ihnen versichert, das jenes geschmacklose, sprudelige, gelbe Getränk Ihnen mehr Sex-Appeal verleiht….

Bei Stone Brewing glauben wir, dass das anbiedern an den kleinsten gemeinsamen Nenner den Höhepunkt der Tyrannei repräsentiert – eine virtuelle Form, den Konsumenten barfuß und dumm zu halten. Herangeführt an eine unvorbereitete Öffentlichkeit im Jahre 1997, fordert Arrogant Bastard Ale öffentlich die tyrannischen Großfürsten heraus, die schamlos bestrebt sind, die Amerikaner in den Ketten des schlechten Geschmacks gefangen zu halten. Als Urvater dieses Stiles, feiert Arrogant Bastard Ale ein beispielloses und kompromissloses Fest der Intensität. Es gab allerhand wohlwollendes Nicken für Arrogant Bastard Ale…sogar unverblümte Versuche es zu imitieren…aber es kann nur einen geben, der  jemals die wahre Natur flüssiger Arroganz zu verkörpern vermag!

Ja, das steht so auf der Flasche, ich habe sogar leicht gekürzt. Angemessen eingeschüchtert wagte sich die Getränke-Gruppe an das Gersten-Gebräu aus Kalifornien. Komplex, vielfältig, oft fordernd und zuweilen beinahe anstrengend kamen die Biere daher, von denen einige vom Alkoholgehalt in die zweistelligen Prozentwerte vordrangen und deren hopfige Bitternoten für den Berliner Durchschnittstrinker schon extrem wirken kann. Es bereitete jedenfalls großes Vergnügen, diese komplexen Biere zu verkosten und aromatisch zu hinterfragen und in der kompetenten Runde zu diskutieren.

Stone Brewing plant, nach Europa zu expandieren und eine Brauerei in der alten Welt aufzubauen. Berlin ist ein

Moabiter Braubäckerei

Moabiter Braubäckerei

möglicher Standort, den das Unternehmen ins Auge gefasst hat. Leider war der Seufzer sehr deutlich vernehmbar, den Greg Koch von sich gab, als er die hauptstädtische Bürokratie resümierte. Mal sehen, ob etwas daraus wird, eine Bereicherung für Berlin wäre eine solche Brauerei allemal. Der Vorgang ist in einem Artikel der Morgenpost hochinteressant nachzuverfolgen:Morgenpost zu Stone Brewing in Berlin.

In der Zwischenzeit empfiehlt sich ein Besuch bei Brewbaker in der Moabiter Zunft-Markthalle, a.k.a. Arminius-Markthalle. Über die neue Braustätte findet sich ein vorzüglicher Bericht bei dem Moabit-Kenner schlechthin: Vilmoskörte. Brewbaker selbst präsentiert sich auf der eigenen Homepage.

Stone Brewing verfügt über eine sehr informative Webpräsenz unter www.stonebrew.com und widmet der arroganten Bastard Serie eine eigene Domain unter: www.arrogantbastard.com

Zuletzt sei noch Rainer Wallisser vom Bier Shop Berlin gedankt, der uns hoffentlich weiterhin mit so spannenden Veranstaltungen erfreuen wird. Mehr unter: www.berlinbiershop.com

7 Kommentare zu “Arrogantes Bier für Berlin

  1. eichiberlin sagt:

    Mir geht es ähnlich, dass einige der Biere mit extremen Hopfennoten und hohen Alkoholwerten tatsächlich sehr speziell schmecken und besondere Liebhaber und „Beer Geeks“ ansprechen.

    Dennoch beneide ich die USA für die Bandbreite, die dort zur Verfügung steht. Wer neugierig auf Bierfielfalt ist, dem stehen dort einige Oktaven mehr auf der Bier-Klaviatur zur Verfügung. Mal sehen, was die Experimente demnächst so bewirken.

  2. bunnyberlin sagt:

    schmeckt nur nicht so recht. in usa scheint man sich im hopfenanteil bei den IPAs und anderen ales immer nur zu überbieten wollen.

    da ist mir ein gut gebrautes pilsner alle mal lieber. ist natürlich – wie so vieles – reine geschmackssache.

    für deutsche mit wenig erfahrung bei ales sicher interessant, ich vermute aber, es bleibt bei wenigen experimenten.

  3. 6kraska6 sagt:

    Also so rein vom Auftritt: ein grundsympathisches Bier!

  4. Lakritze sagt:

    Bislang dachte ich ja immer, Bier sei Bier und mir somit relativ wurscht. Stimmt wohl doch nicht, wie ich seit Brewbaker (und Eschenbräu) ahne. Die Werbekampagne erinnert mich beiläufig an die Studentenpartei »Lange Arroganz«, die ihre Wahlplakate in zweieinhalb Metern Höhe aufhängte. Möge Stone Brewing größerer Erfolg beschieden sein!

  5. eichiberlin sagt:

    Nee, Verlinkung geht so nicht, es kommt immer der Paywall. Dann halt auf google googlen: morgenpost stone brewing

  6. eichiberlin sagt:

    Danke, dachte ich hätte auch den Link gesetzt. Ich füge den Link nun auch oben in den Text ein.

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